Prognosen bleiben schwierig — insbesondere wenn die die Zukunft betreffen. Und sie erzählen zumeist mehr über die Zeit, in der sie entstehen, als über die nähere oder fernere Zukunft, über die sie zu erzählen sich vornehmen oder vorgeben. So vehement die eigene seherische Fähigkeit auch betont werden mag — die Wahrscheinlichkeit, auf empirischen Indizien begründet, ist doch vergleichsweise gering, dass diese Fähigkeit tatsächlich grundsätzlich und nachweislich diesem oder jenem Autoren zukommt, der darauf Anspruch erhebt. Das gilt natürlich in besonderem Maße für Autoren von Banken, die sich anschicken die gesellschaftliche Zukunft der nächsten Jahre vorherzusagen, dabei aber nicht einmal in der Lage sind, die Börsenkurse der nächsten Minuten (von bevorstehenden Finanzkrisen, Börsencrashs ganz zu schweigen) vorherzusagen.
Dennoch die Lektüre wert ist der Text über die Zukunftsassichten des sogenannten Arbeitsmarktes von der Deutschen Bank, genauer: Deutsche Bank Research, über den vor einigen Wochen bereits in der FAZ (hier) berichtet wurde und der nun online zu lesen ist. Der Verfasser » Read the rest of this entry «
Juli 3rd, 2015 § Kommentare deaktiviert für Griechische Staatsschulden? — Peanuts! § permalink
Eine kleine aktuelle Meldung im Griechenland-Newsblog SpON mag dazu veranlassen, die Dimension der Staatsschulden Griechenlands etwas anders zu betrachten. Es heißt bei Spon (hier; 03.07.2015; 12.30 Uhr):
Die Eskalation der Griechenland-Krise hat laut einer Ernst&Young-Studie weltweit binnen weniger Tage rund 300Milliarden Dollar an Börsenwert vernichtet. Der Gesamtwert der 100 teuersten Aktiengesellschaften der Welt sank nach Berechnungen der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft vom 19. bis 30. Juni von 16,6 Billionen auf 16,3 Billionen US-Dollar.
Dieser Betrag von 300 Milliarden liegt nahe an den ca. 320 Milliarden Euro Staatsschulden Greichenlands. Und sieht neben dem Gesamtwert von 100 Unternehmen — über 16 Billionen — vergleichsweise mickrig aus. Man könnte nun also folgern: Ein sofortiger Schuldenerlass für Greichenland ist im Vergleich zu diesen Beträgen, die auf den Finanzmärkten im Spiel sind, fast vernachlässigbar. Er entspricht dem Buchwertverlust weniger Tage an den Börsen (der in Gesamtbetrachtung aller Aktienwerte, also nicht nur der betrachteten 100, um ein vielfaches höher wäre) — und dem Buchwertgewinn nach Ende der sogenannten Krise. Statt das Geld an der Börse zu verjuxen — hätte man damit die Finanzklemme Griechenlands lösen können. Es handelt sich schließlich auch nur um Buchgeld, dessen Verschwinden nicht mehr Spuren hinterlässt, als ein Atemzug im Sommerwind. Peanuts.
Hätte. Wenn — ja wenn nicht im Verlauf der letzten Jahre jene Investoren, die jetzt diese Buchwertverluste hinnehmen, von den öffentlichen Institutionen freigekauft worden wären. Die sogenannten Finanzmärkte hätte der Verlust von 300 Milliarden nicht weiter geschmerzt (von der einen oder anderen bilanziellen Verwerfung vielleicht abgesehen …). Sie hätten ein paar Tage gewartet und den Verlust durch Buchgewinne ihrer Aktien wieder kompenisert. Aber der schwäbischen Hausfrau und der schwarzen Null an ihrer Seite ist das natürlich nicht zu vermitteln.
Im ersten Teil des Beitrags war geschildert worden, wie die bevorstehende Abschaffung des Bargelds die Bürger auf Gedeih und Verderb den Geschäftsbanken ausliefert. In diesem Teil soll nun gezeigt werden, dass die aktuell diskutierte Vorratsdatenspeicherung ein Witz gegen das ist, was mit der Bargeldabschaffung bevorsteht. Hellhörig dürfte dabei machen, dass „Experten“, die die Bargeldabschaffung fordern, insbesondere damit argumentieren, dass damit Kriminelle (insbes. Drogenhändler) und Steuerhinterzieher getroffen werden. (z.B. hier). » Read the rest of this entry «
Juni 13th, 2015 § Kommentare deaktiviert für Abschaffung des Bargelds I: Enteignung des Bürgers § permalink
Seit einigen Wochen mehren sich Stimmen, die die endgültige Abschaffung des Bargelds fordern (Peter Bofinger), ernsthaft erwägen oder mit unterschiedlichen Argumenten ablehnen (Roland Tichy, Heiner Flassbeck). Zugleich findet sich eine vergleichsweise breite politische Öffentlichkeit, die die sogenannte Vorratsdatenspeicherung kritisiert oder aktivistisch bekämpft – ohne offenbar zu ahnen, dass sich hinter der Bargeld-Debatte eine Art der Vorratsdatenspeicherung und Ermächtigung des Staates (und der Banken) verbirgt, als sie sich in ihren ärgsten Albträumen ausmalen könnten. Warum das so ist – das soll dieser zweiteilige Artikel ausführen. Im ersten Teil wird die Verschiebung beschrieben, die sich im Verhältnis zwischen Geschäftsbanken und Bürgern einstellt. Im zweiten, morgen folgenden Teil, die Veränderung, die sich im Verhältnis zwischen Regierung und Bürgern dadurch einstellt und die bei genauer Betrachtung nicht nur eine Umdefinition von “Freiheit” hin zu der Freiheit ist, freiweillig an einem Ermittlungsverfahren teilzuhaben, das nicht nicht stattfinden und dem sich zu entziehen unmöglich ist, sondern auch zu einer Bewegung weg von einem demokratischen Staatswesen führt. » Read the rest of this entry «
Juni 3rd, 2015 § Kommentare deaktiviert für Radio-Feature “Über das Geld und was wir dafür halten” § permalink
Florian Felix Weyh hat ein sehr schönes und spannendes Radio-Feature für DeutschlandRadio-Kultur produziert mit dem Titel “Immer knapp — oder wertlos. Über das Geld und was wir dafür halten”, zu dem ich neben dem Volkswirtschaftler Jörg Guido Hülsmann, dem Soziologen Rainer Paris, und dem Finanzjournalisten und Publizisten Lucas Zeise interviewt wurde. Sehr hörenswert, da inhaltlich auf der Höhe des Themas und formal sehr originell gemacht.
Nachtrag: Das Stück “Schuld und Schein”, um das es in dem Feature am Rande geht, ist auf der Webseite www.schuldundschein.de im Volltext herunterladbar. Dort finden sich auch alle mir bekannten Kritiken zu der seit 2 Jahren laufenden, mehrfach preisgekrönten Inszenierung am Münchner Metropoltheater sowie Hintergrundmaterialien.
Die Kathedrale von Saint Dénis bei Paris (Wikipedia). Zahllose Programme gleichzeitig, Standbilder zwar, dafür um so überwältigender. 360 Grad Fern-Sehen, Tele-Vision in die Transzendenz. » Read the rest of this entry «
Mai 7th, 2015 § Kommentare deaktiviert für Uraufführung “Der Marienthaler Dachs” im September in Wien — Regie: Volker Lösch § permalink
Jetzt ist es offiziell und der Presseverkündet: Die Uraufführung meines “Der Marienthaler Dachs”, der letztes Jahr beim Heidelberger Stückemarktgewann, wird am 25. September 2015 am Volkstheater Wien stattfinden, als eine der Eröffnungspremieren der neuen Intendanz von Anna Badora. Regisseur: Volker Lösch. Und ich könnte mir kaum eine andere Regie vorstellen, bei der ich so dermaßen gespannt bin auf das Ergebnis.
Die Jurybegründung beim Stückemarkt ist hier zu finden.
April 17th, 2015 § Kommentare deaktiviert für Trailer zu meinem aktuellen Projekt: Oratorium für Schalke 04 § permalink
Seit Ende letzten Jahres rundum beschäftigt damit, das Libretto für ein ca. 90-minütiges Oratorium zum 111. Geburtstag von Schalke 04 mit dem Titel “Kennst du den Mythos…?” zu verfassen und mit den Komponsiten Heribert Feckler und Dieter Falk in Ton und Klang zu bringen. Und das ist der Tariler mit Auszügen aus zweien der Lieder.
DAMIT ETWAS KOMMT MUSS ETWAS GEHEN
DIE ERSTE GESTALT DER HOFFNUNG IST DIE FURCHT
DIE ERSTE ERSCHEINUNG DES NEUEN DER SCHRECKEN
(Heiner Müller, ehemaliger Leiter des BE)
Viel ist es nicht, was zur Zeit bekannt ist über die Zukunftsplanung der Berliner Volksbühne – deswegen lässt sich trefflich spekulieren, diskutieren, polemisieren, agitieren.
Berichtet wird am 26.03. im Tagesspiegel, es gäbe das Gerücht, die Berliner Kulturverwaltung, personifiziert durch den Kulturstaatssekretär Tim Renner, plane die Leitung der Volksbühne ab 2017 an Chris Dercon zu geben. Dercon solle als Kurator fungieren, Erfahrung sei ihm nicht abzusprechen, allerdings eher im Rahmen der bildenden Kunst in einem sehr weiten Sinne. Unter Beweis gestellt hat er sie als Leiter des Hauses der Kunst in München und als Leiter der Tate Modern in London. Ob das tatsächlich eine konkrete Planung ist, ob es sich um Ideen und Gespräche handelt oder um überwiegend substanzlose Spekulation ist gegenwärtig nicht wirklich klar. Hindert aber auch nicht an tosenden Stellungnahmen. Im Gegenteil.
Die Spekulationsblase
In der Welt schreit es direkt nach „Rettung“ vor dem Kurator Dercon. Auf nachtkritik wird die erste Meldung wenig kommentiert, erst nachdem Claus Peymann am 1. April einen offenen Brief (PDF) an den Kultursenator und Regierenden Bürgermeister Michael Müller verschickt, kommt die Debatte in Gang (hier): Untergang der Volksbühne im Besonderen, der (Berliner) Kultur im Allgemeinen hie – Aufbruch und Interesse da. Und die neueste Meldung über ein Peymann-Interview auf nachtkritik setzt gerade an, das argumentative Florett durch die Keule zu ersetzen.
Peymann beschwert sich, keinen Termin bei Renner bekommen zu haben, schmäht Renner als ‚unerfahrenen und überschätzen Mann’ und als „größte Fehlbesetzung des Jahrzehnts“ – unter anderem mit Hinweis auf seine Initiative zum Live-Streaming von Theateraufführungen. Renner schlägt zurück und weist darauf hin, dass Peymann nicht mehr der Jüngste sei (hier Bericht der Berliner Zeitung) – ein alter Mann, dessen Theater ihn nicht besonders interessiere. Was wiederum Peymann provoziert, über Renner herzuziehen. Auf nachtkritik wird wiedergegeben:
“Jung, frisch, ein bisserl dumm, immer nett lächelnd und auf Rhythmus aus”. Er habe sich ein paarmal mit ihm getroffen, “der weiß vom Theater nix”. (…) Peymanns Fazit: “Der Renner muss weg. Und der Bürgermeister muss die Kulturagenda abgeben, er kann es nicht!” Auch sein eigener Nachfolger, Oliver Reese, “unterscheide sich äußerlich nur unwesentlich von Renner”, beide verkörpern denselben Phänotyp.
Harte Nummer. Peymann mit Castorf (der in der ZEIT vor einigen Wochen „Visionslosigkeit“ der Berliner Kulturpolitik diagnostizierte) versus Renner und Müller. Dazwischen Dercon und letztlich auf Reese. Eine Macho-Schlammschlacht im Kultur-Vatikan. Kurienkardinal Peymann als » Read the rest of this entry «
Dezember 11th, 2014 § Kommentare deaktiviert für Ein paar Gedanken zum Livestreaming von Schauspieltheater #theaterstream § permalink
Gestern Abend wurde in der Boell-Stiftung über die Frage: “Schauspiel im Livestream — Fluch oder Segen” diskutiert. Dafür hatte ich mir im Vorfeld ein paar Gedanken gemacht, mit denen ich mein Podiums-Statement bestreiten wollte. Nach dem grandiosen Stream aus dem Schauspiel Dortmund mit Kay Voges’ Inszenierung von Sarah Kanes “4.4. Psychose” hab ich dann entschieden, nur relativ knapp einige wenige Überlegungen daraus anzubringen. Die ganze Sache deswegen jetzt hier:
Reaktionen auf die Frage: “Theater-Streaming- Ja oder Nein?” oder: “I can haz livestream?”
Die erste Reaktion: Ja klar, sofort. Die Technik ist da, es ist eine großartige Chance zur Öffnung von Theatern in den digitalen Raum, die Möglichkeit die Teilhabe zu erweitern, Menschen, die aus welchen Gründen auch immer, nicht im Theaterraum anwesend sein können oder wollen Zugang zu verschaffen – immerhin ist die Access-Thematik einer der wichtigsten Bestandteile der utopischen Erzählung vom Internet. Abwesende Zuschauer bekommen Zugang, können in unterschiedlichen Orten halb-anwesend sein, Theatermacher können sich von anderen Theatermachern inspirieren lassen. Klingt toll.
Die zweite Reaktion: Wenn ihr es macht, macht es vernünftig. Die nervigen “Kameraheinis” drei Tage vor der Premiere ein paar Minuten rein- und ihr Equipment aufbauen lassen, dann die Sache irgendwie ins Netz bringen, ist ein » Read the rest of this entry «